BILD der FRAU: Wie kommt
es, dass Sie nach zehn Jahren immer noch die einzige Frau neben
15 Ministerpräsidenten sind?
Heide Simonis: "Das hat wohl mit Macht und dem
Einfluss zu tun, der mit diesem Job verbunden ist. Das sind Potentiale,
die Männer lieben, Frauen aber abschrecken. Frauen haben eher
Abneigung, sich in solche Grabenkriege zu stürzen und bei der
Postenverteilung "Hier!" zu rufen."
Das heißt, die Frauen sind größtenteils
selber Schuld?
"Jedenfalls könnten viele frecher und mutiger
sein. Aber natürlich ist das nicht alles. Besonders die Kindererziehung
kann zum Karriere-Problem werden. Selbst bei einem guten Betreuungsangebot
ist es für Frauen nicht einfach, ihre Zeit den Parteigremien
zu widmen. Jahrelanges pausieren kann sogar eine echte Behinderung
sein. Das dürfen wir Müttern nicht zum Vorwurf machen."
Was fehlt Ihrer Ansicht nach vielen Frauen?
"Zielstrebigkeit! Sie wollen zwar nicht auf der
untersten Stufe stehen bleiben, aber sie kämpfen zu wenig für
ihre Karriere! Die Ochsentour finden sie grauenvoll! Ich wurde auch
nicht über Nacht Ministerpräsidentin!"
Warum bilden Frauen nicht wie Männer Seilschaften?
"Frauen schrecken davor zurück, Kontakte
zum persönlichen Vorteil zu nutzen. Das finden sie - wie den
Machtgedanken - fast unanständig. Bei Männern ist es normal,
sich zu helfen."
Wie lässt sich das ändern?
"Frauen müssen eigene Netzwerke bilden!
Sie sollten mehr zusammenarbeiten und auch gegenüber der Familie
ohne schlechtes Gewissen die eigenen Interessen durchsetzen."
In Ihrem Buch "Unter Männern" schreiben
Sie, dass es eher eine Bundeskanzlerin geben wird als eine Banken-Sprecherin...
"Wenn ich höre, dass der Sprecher einer
deutschen Geschäftsbank mit einem extra Aufzug fährt,
in den niemand zusteigen darf und der nirgendwo anhält, dann
weiß ich, was fest gefügte, veraltete Männer-Privilegien
sind. Da ist für mich ein weiblicher Wirtschaftsboss noch in
weiter Ferne! In der Politik jedoch ist der Druck größer,
Frauen etwas werden zu lassen!"
Immerhin ist eine Frau Vorstands-Vorsitzende der
"Citibank"!
"Ein erster Erfolg! Und ich hoffe, sie wird nicht
die einzige in dieser Position bleiben."
Ist denn die Zeit auch endlich reif für eine
deutsche Bundeskanzlerin?
"Da Gerhard Schröder und Joschka Fischer
wieder kandidieren, drücke ich ihnen die Daumen. Gäbe
es diese Konstellation nicht, wäre es einen Versuch wert, dass
eine Frau die Mehrheit präsentiert. 54 Prozent der Studenten
sind weiblich, Frauen haben gute Abschlüsse und große
Fähigkeiten, was Intuition, Teamarbeit und Kreativität
angeht. Da liegen ihre Chancen. Der gusseiserne Mann wird das noch
lernen."
Behindern sich Frauen gegenseitig - durch Neid
etwa?
"Wenn überhaupt, dann haben Frauen Minderwertigkeitskomplexe
und werden dadurch giftig. Viel fataler ist, dass Frauen nicht gut
streiten können! Wenn sie Ablehnung erfahren, sind sie bis
ins Mark verletzt und zweifeln auch noch viel zu sehr an sich."
Wie lauten Ihre wichtigsten Karrieretipps?
"Frauen müssen lernen zu sagen: ´Ich
will! Und: Ich kann das!´ Und dass sie wegen Kritik an ihrer
Person nicht die ganze Nacht im Bett sitzen und grübeln! Frauen
müssen lernen, Niederlagen einzustecken - und Schwamm drüber..."
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